Claudia Gutting
Hamburg

1 Speyrer Brezel

Wir laufen eine Speyrer Brezel. Naja, fast.


Startpunkt: Kaiserdom Speyer

Speyer. 2000 Jahre alt und von den Römern als Noviomagus gegründet. Im Mittelalter freie Reichsstadt. Ein 1000 Jahre alter Kaiserdom, der nicht weniger als die weltweit größte romanische Kirche und Weltkulturerbe ist.

Das … hört sich nach ziemlich viel Stoff für den arglosen Besucher an. Besser nicht. Lieber unvoreingenommen genießen und entspannt eine Brezel laufen. Gleich vorweg wird das größte Problem die Cafe – und Restaurantdichte in Speyer sein. An jeder Ecke lauern Weinstuben, Biergärten, Eiscafes, Saumagen und Rieslingschorle.

Wir starten  … natürlich am Dom, genauer gesagt am Domnapf vor dem Hauptportal. Früher wurde der Domnapf bei besonderen Festen (z.B. Bischofsweihen)  mit Wein gefüllt und dann kostenlos becherweise an die Bevölkerung verteilt. Das letzte Mal 2011. Das sagt schon viel über die Pfälzer aus.

Gut, wir spazieren erst einmal um den Dom herum, der seit über 1000 Jahren die kleine Stadt überragt. An der rückseitigen Apsis bleiben wir kurz stehen und suchen ein kleines, berühmtes Relief auf einer Halbsäule. Das "Leben im Paradies". Nicht bescheiden, die alten Speyrer. Falls der Dom geöffnet ist, treten wir ein. Beeindruckend. Riesig. Zu besichtigen sind diverse Kapellen und die Kaiserkrypta. Ein magischer Ort. Dann zünden wir noch am Altar ein Kerzchen für den lieben Gott an und beginnen unseren Rundgang durch Speyer.

Wir schlendern durch die Maximilianstraße und laufen bis zu dem großen Stadttor, dem Altpörtel. Im Torbogen suchen wir einen eingelassenen Eisenstab, den „Speyrer Normalschuh“. Das war im Mittelalter ein festgelegtes Maß, an dem die anreisenden Händler ihre Waren eichen mussten. Nicht ihre Füße!

Dann weiter über den Postplatz und rechts in die Bahnhofstraße. Nicht lange und wir sehen einen grünen Graben mit einem langen Stück alter Stadtmauer, integriert in einen modernen Häuserkomplex. Kurios. Noch zwei Gassen weiter, dann rechts in die Rützhaubstraße und gleich wieder links in die St. Guido-Straße einbiegen. Nun ganz bis an das Ende zu dem kleinen Torbogen. Hindurch und die Treppe hinunter. Jetzt sind wir auf dem Hirschgraben. Falls wir gegenüber im Adenauerpark einen Pulk von Touristen vor einem eingezäunten Beet stehen sehen, ist dort das Grab von Alt-Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl zu vermuten. Er war Speyer sehr verbunden. Und bleibt es nun wohl auch...

Nebenan sehen wir die St.Bernhard-Kirche. Das Gebäude wirkt romanisch, ist aber eine neuzeitliche Friedenskirche für die Deutsch-Französische Freundschaft. Ach stimmt ja, Frankreich ist nur wenige Kilometer entfernt. Siehe auch Ausflug Nr.  12 Grenzwertige Pfade.

Dann wieder stadteinwärts über den St. Guido-Stiftsplatz.  En passant werfen wir rechter Hand einen Blick auf die neue Synagoge. Mit hübscher Grünanlage davor. Weiter die Wormser Landstraße entlang,  bis die Bronze der "Speyrer Goldwäscherin" erscheint. Hm. Gold? Hier? Wo? Fragende Gesichter. Das lesen wir später nach.  Den Platz queren, vorbei an dem beeindruckenden Relikt eines gotischen Kreuzganges und hinein in die Kleine Greifengasse. Hier finden wir das Purrmann-Haus.

Das Museum zu Ehren des Malers Hans Purrmann ist ein Kleinod, gerne hinein. Alle anderen wandern weiter zur Großen Greifengasse und überqueren die Johannesstraße. Auf der linken Ecke steht ein kleines Haus mit einem noch kleineren Platz nebenan. Die Elendherberge.  Früher wahrscheinlich nicht die beste Adresse, aber heute begehrte Wohnungen in Domnähe. Dann den Straßenbuckel der Pfaugasse hinunter und rechts auf den Speyrer Fischmarkt. In der Mitte steht ein großer Fisch. Tot, also aus Bronze. Aus Hamburg kommend mag man Fischmärkte immer und überall.  

Jetzt links halten und sich durch die kleinen Gassen der Altstadt zum Mittelsteg schlängeln. Dann über den Speyerbach, rechts herum und nach ein paar Metern stehen wir am barocken Eingangstor vom Kloster St. Magdalena. Traun fürwahr bis heute ein Kloster der Dominikanerinnen. Kurz staunen, dann biegen wir rechts in die Sonnengasse und laufen über die Sonnenbrücke. Der Kaiserdom baut sich wieder vor uns auf.

Das erste Brezelohr haben wir geschafft.

Mit Schwung die Treppen hinauf, links herum, vorbei an der Antikenhalle und über die Fußgängerbrücke in Richtung Rhein. Wir landen am äußersten Zipfel der Rheinpromenade (neuerdings Dr. Helmut-Kohl-Ufer). Und stehen bald vor der Welle, einer berühmten Bronzeplastik von Georg Günther Zeuner. Soo, jetzt den Rhein links liegen lassen und schlendern bis zum Flaggenmast. Leider bieten sich dauernd Bänke und Biergärten an. Hmm. Wir müssen aber noch das zweite Ohr unserer Brezel laufen.

Seufzen. Also dann vom Flaggenmast die Rheinallee zurück in die Innenstadt. Links sehen wir einen riesigen Jumbo im Sturzflug. Keine Sorge, ein Exponat vom Technik-Museum Speyer. Ein tolles Ausstellungsgelände, aber zeitlich jetzt nicht zu schaffen. Besser weiter zum Historischen Museum der Pfalz. Römische Spurensuche und das Weinmuseum mit dem ältesten, noch flüssigen Wein. Der gute Tropfen wurde angeblich um 365 n.C. verkorkt, ist also – ähm ... moment -  über 1600 Jahre alt. Jaja, die Römer. Vieles findet man von ihnen in dem Museum, welches auch für Kinder gut aufbereitet ist. Also Ticket kaufen und hinein in die römische Antike.

Dann wissensschwer aus dem Museum wieder heraus und gleich links in die Große Pfaffengasse einbiegen. Irgendwie hat in Speyer alles mit Römern und Kirche zu tun. Nicht in die Engelsgasse, sondern weiter in die Judengasse, denn am Ende der Gasse ist noch eine Seltenheit zu finden. Ein Mikwe, ein mittelalterliches Judenbad.

So langsam werden wir müde. Durchhalten! Die Kleine Pfaffengasse entlang bis zum Königsplatz, der eigentlich der Marktplatz ist und rechter Hand in die Kutschergasse eintauchen. Immer weiter, durch die Hellergasse und linker Hand den kleinen, aber feinen Einhornbrunnen auf dem Schulplätzl  suchen. Hübsch. Bis hierher kommen bestimmt nur wenige. Bis gar keine. Außer uns, natürlich!

Jetzt reicht es! Zurück und direkt durch die Roßmarkstraße auf die Maximilianstraße. Übrigens auch Via Triumphalis genannt. Wir stehen am Altpörtel und schauen zum Dom. Ende der Brezel! Sofort in die nächste Weinstube. Saumagen mit Rieslingschorle. Das haben wir uns jetzt wirklich verdient!

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