Claudia Gutting
Hamburg

2 Orient und Okzident

Multikulturalismus ist in Venedig ein alter Hut. Das gab es schon vor 800 Jahren.


Startpunkt: Bahnhof Santa Lucia

Der Canale Grande liegt vor uns. Ahh. Durchatmen. Jetzt links und Richtung Rialto in das Gewimmel eintauchen. Aber nicht lange, denn am Campo Geremia suchen wir links ein kleines Gässchen, was am Ende etwas Grün vermuten lässt. Tatsächlich finden wir versteckt hinter Mauern den erstaunlich gepflegten und menschenleeren Parco Savorgnan. Verwundert queren wir zwischen alten Bäumen linker Hand den Park bis zu dem kleinen Tor, das als Aus- und Eingang dient.

Aus dem Tor hinaus nach rechts bis zur Fondamenta de Ca' Labia. Wiederum rechts und wir sehen die Ponte delle Guglie,  die sich bei Annäherung als echte Schönheit entpuppt. Über die Brücke, dann links ein kleines Stück am Rio zurück, bis wir den Sotoportego de Ghetto finden. Sotoportegos sind kleine, niedrige Durchgänge unter den Häusern, die seit altersher als Abkürzungen dienen. Hm, scheint zu halten. Hinein und hindurch. Destination Ghetto Nuovo.

Dann stehen wir auf dem Campo, der das alte und neue jüdischen Zentrum von Venedig bildet. Angenehme Ruhe und ein Hauch von alter Religion und modernem Leben ist zu spüren. Wir schlendern über den Platz, dann die Calle Ghetto Vecchio einfach weiter und wandern bis zum Campo Sant' Alvise. Niemand da. Wir gehen unter dem Torbogen hindurch, halten uns links und tatsächlich, venezianische Normalität umgibt uns. Wir sehen einen Sportclub mit Schwimmbad in einer Stadt auf dem Meer, für Schüler und sonstige Bewohner. Kurios.

Nun weiter zu der Anlegestelle „St. Alvise“. Der Blick über die Lagune ist überwältigend. Wir setzen uns auf eine einsame Bank und schauen über das Meer. Nicht schwächeln, es geht weiter zum hübschen Campo Dei Mori. In diesem Viertel lebten Kaufleute, die Handel mit dem vorderen Orient betrieben. Davon zeugen orientalisch gekleidete Steinfiguren an den Hauswänden und ein Kamelrelief am Ca' Cammello. Wir flanieren die Fondamenta dei Mori entlang und weiter bis zur Chiesa dell Abbazia della Misericordia. Über den Kanal hinweg sehen wir einen großen Palazzo und gleichzeitig unser nächstes Ziel, das neue CASANOVA-Museum. 

Das Museum ist modern und medial inszeniert. Man wird auf die Spur eines schillernden, exzentrischen Charakters geführt, der im 18. Jhdt. ganz Europa bereiste und Fürsten und Königen auf die Nerven gefallen ist. Von den Frauen ganz zu schweigen. 3D-Brille auf und man ist in einer anderen Zeit. Toll.

So langsam werden wir müde. Am Ende des Urban Walk wartet noch ein formidabler Höhepunkt, also nicht aufgeben! Wir wandern tapfer weiter und – Achtung! – müssen die letzten Meter auf der Hauptroute Richtung Rialto zurücklegen. Jetzt nicht die Nerven verlieren, mit der Ruhe ist es vorbei. Wir gliedern uns in die Touristenmassen ein und schwimmen mit dem Strom zur Rialtobrücke, biegen aber kurz davor ab in die Fondaco dei Tedeschi, der alten deutschen Handelsniederlassung und neuerdings moderner Luxustempel. Allein im Atrium einen Espresso zu trinken und sich umzuschauen erfreut das müde Herz und schont die Füße. Aber zum Schluß muss es doch noch sein – auf die Dachterrasse, der einzigen am Canal Grande - und man wird mit einem umwerfenden Blick über die Stadt belohnt.

Ab Rialto zurück.

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